Effiziente Mobilität: 3 Hebel für mehr Wirtschaftlichkeit und Resilienz
Veröffentlicht am 16. Januar 2024
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Mobilitätsanbieter befinden sich dieser Tage in einer herausfordernden Situation. Dazu zählen steigende Preise, wiederkehrende Lieferengpässe, der Druck, die Mobilitätswende voranzutreiben und damit die Notwendigkeit von mehr innovativen Mobilitätsangeboten. Doch damit nicht genug, denn bei all diesen Herausforderungen agieren Mobilitätsanbieter im Spannungsfeld von öffentlicher Daseinsvorsorge, Wirtschaftlichkeit und Effizienz. Drei Hebel helfen dabei, das Spannungsfeld zu lösen und trotz knapper Ressourcen effiziente Mobilität zu ermöglichen.
Der Spagat zwischen mehr Mobilitätsangeboten und Wirtschaftlichkeit
Der seit Jahren herrschende Fachkräftemangel trifft auch die Mobilitätsanbieter, die zunehmend Schwierigkeiten haben geeignetes Personal zu finden. Derzeit fehlen beispielsweise bundesweit mehr als 5.000 Busfahrer:innen. Aufgrund der geplanten Verkehrswende wird sich diese Zahl bis 2030 weiter auf rund 76.000 erhöhen – Busse, die im Schienenersatzverkehr eingesetzt werden, sind in diese Zahl allerdings noch gar nicht eingerechnet.
Neben den personellen Ressourcen betrifft die Verknappung auch die Fahrzeuge. Aufgrund von Engpässen stehen in den globalen Lieferketten immer häufiger wichtige Fahrzeugteile nicht oder nur mit erheblicher Verspätung zur Verfügung. Zudem erhöhen steigende Energiepreise den Kostendruck.
Zum Ressourcenmangel kommen inzwischen ebenso finanzielle Herausforderungen hinzu. Bereits das im Sommer 2022 für drei Monate eingeführte und bundesweit geltende 9-Euro-Ticket hat die Mobilitätsanbieter vor enorme Herausforderungen in der Umsetzung gestellt. Aber nicht nur das, es hat gleichermaßen zu Verwerfungen in den Kostenstrukturen geführt, da durch den einheitlich niedrigen Preis erhebliche Einnahmen weggefallen sind, während die Kosten unverändert blieben. Mit dem 49-Euro-Ticket später der Nachfolger an den Start. Umso wichtiger ist es, die vorhandenen Ressourcen optimal zu nutzen, um trotz der aktuellen Lage ökonomische Mobilität zu betreiben.

Digitalisierung und Daten vereinfachen es erheblich, neue Potenziale zu erschließen und Mobilität effizienter zu gestalten.
Effiziente Mobilität: Was also können Mobilitätsanbieter dafür tun?
Klar ist: Weder der Personalmangel noch die finanziellen Engpässe lassen sich kurz- oder mittelfristig vollständig beheben. Trotzdem gibt es für die Unternehmen Möglichkeiten, sich angesichts dieser Herausforderungen besser aufzustellen und damit ihre Resilienz zu erhöhen:
Starre Fahr- und Linienpläne mit wenigen Anpassungen waren bisher die Antwort auf die Nachfrage der Reisenden. Und dieser vermeintliche Mobilitätsbedarf wurde lange Zeit aus einem Nebel aus Erfahrungswerten und Trial and Error erstellt. Heute wissen wir zum Glück viel mehr über die Nachfrage, da sich die Datengrundlage verbessert hat: Mobilfunkdaten, automatische Fahrgastzählsysteme oder Buchungsdaten aus Apps geben deutlich besseren Aufschluss darüber, wie sich die Nachfrage tatsächlich gestaltet. Was wäre also, wenn wir diese neue Datengrundlage nutzen, um Nachfrage besser zu verstehen?
Neue Technologien helfen uns, besser mit großen Datenmengen umzugehen und intelligente Mobilität möglich zu machen. Predictive Maintenance kennen wir bereits. Warum also nicht auch Predictive Demand? Die Vorhersage von Nachfrage kann die entsprechende Anpassung der Mobilitätsangebote ermöglichen, zum Beispiel wochenscharf oder vielleicht sogar tagesscharf. Für On-Demand-Mobilität kann das zum Durchbruch in Sachen Effizienz werden, denn damit könnten Leerfahrten oder abgelehnte Buchungen aufgrund von zu geringer oder zu starker Nachfrage auf zu viele oder zu wenige Fahrzeuge im Einsatz der Vergangenheit angehören. Mobilitätsangebote werden so effizienter und gleichzeitig nachfrageorientierter.
Doch auch der linien- und fahrplangebundene Verkehr hat seine Berechtigung und Notwendigkeit. Durch Vernetzung gibt es hier ebenso hier die Möglichkeit, am Effizienzhebel zu schrauben. Während Störungen oder Ausfällen stranden im Linienverkehr oft hunderte Fahrgäste gleichzeitig am gleichen Ort und das Verkehrschaos ist vorprogrammiert. Mal eben zusätzliche Kapazitäten an den Störungsort zu verlagern, ist in der Regel nicht möglich. Was wäre aber, wenn der ÖPNV nicht alleinstehend agieren müsste und nicht nur seine eigenen Fahrzeuge und Fahrer:innen zur Verfügung stünden? Die Lösung: Die Einbindung privater Busunternehmen. Dazu müssen die vertraglichen Vereinbarungen jedoch frühzeitig getroffen werden.
Dann können ihre Busse kurzfristig im Störungsfall eingesetzt werden und den ÖPNV in seiner Aufgabe unterstützen. Dieses Vorgehen erspart gegebenenfalls Pönale, in jedem Fall aber Beschwerden und das Vorhalten eigener zusätzlicher Kapazitäten.
Staus, überfüllte Infrastruktur (Straße und Schiene), volle Busse und Bahnen, Parkraumsuchverkehr und Verspätungen im ÖPNV, weil Busse im gleichen Stau stecken bleiben, wie der Individualverkehr – das ist insbesondere in Ballungszentren Alltag und stellt eine große Herausforderung dar. Infrastrukturen stoßen an ihre Grenzen, sodass auch die Mobilität hier ihr Limit erreicht. Maßnahmen zur smarten Steuerung von Verkehr, von Fahr- und Mobilitätsverhalten können hier die Antwort sein und Effizienzgewinne mit sich bringen:
- für das Mobilitätssystem im Ganzen, zum Beispiel effizientere Infrastrukturauslastung durch weniger Parkraumsuchverkehr sowie Routing von Verkehrsteilnehmer:innen oder Reduktion von Verspätungen im ÖPNV durch Priorisierung in der Verkehrssteuerung
- für einzelne Mobilitätsanbieter, z. B. durch effizienteres Fahrverhalten für eine Reduktion des Energieverbrauchs
So helfen Fahrassistenzsysteme, zum Beispiel durch die Unterstützung bei Brems- und Beschleunigungsvorgängen, den Verkehrsfluss zu optimieren und Energieverbrauch zu reduzieren. Darüber hinaus reduzieren moderne Parkleitsysteme, die zwischen Infrastruktur und Fortbewegungsmittel interagieren und diese miteinander vernetzen den Parkraumsuchverkehr. Beide Ansätze verringern zudem unnötigen Emissionsausstoß sowie Lärm auf den Straßen und optimieren den Verbrauch der Energieressourcen. Und warum Fahrzeuge nicht abseits der Hauptverkehrswege parken – und das ganz ohne Mehraufwand für den:die Fahrer:in? Denn zukünftig könnte zum Beispiel das automatisierte Valet–Parken zusätzlich den ruhenden Verkehr auf öffentlichen Straßen reduzieren, indem das Fahrzeug an einer Drop-off Area abgestellt und von dort aus automatisiert in einem Parkhaus geparkt wird. So entsteht auch die Möglichkeit, die zuvor im öffentlichen Raum genutzten Parkflächen anderweitig zu nutzen – beispielsweise für Sharing-Angebote oder als Naherholungsgebiete. Für den ÖPNV ist die Bevorrechtigung von Bussen im Straßenverkehr ein wichtiger Stellhebel neben der Unterstützung des Fahrverhaltens der Busfahrer:innen.
Digitalisierung und Daten machen Effizienz in der Mobilität möglich
Ohne Frage: Die Herausforderungen in der Mobilität der Zukunft sind vielfältig. Effizienz gehört jedoch zu den wichtigen Stellschrauben, um diese Herausforderungen gewinnbringend anzugehen und die Mobilitätswende zu realisieren. Die gute Nachricht ist, dass Digitalisierung und Daten es erheblich vereinfachen, hier neue Potenziale zu erschließen. Sie sind notwendige Schritte, damit die Mobilitätswende gelingt.
Shared Mobility und On-Demand-Mobilität gewinnen immer mehr an Bedeutung in der smarten und vernetzten Mobilität. Sie effizient zu gestalten, ist zentral, damit sie ein langfristiges Angebot werden können und nicht an wirtschaftlichen Hürden scheitern. Der Linienverkehr an sich ist eines der effizientesten Transportmittel. Er transportiert in kurzen Abständen eine maximal große Anzahl von Reisenden – auch in Stoßzeiten. Hier gibt es ebenfalls Herausforderungen, bei denen Predictive Demand und die Zusammenarbeit mit privaten Anbietern helfen kann Kapazitätsanpassungen vorzunehmen. Das bedeutet, wir müssen weg vom Inseldenken und hin zur Vernetzung: eine Vernetzung der Angebote, der Anbieter, der Fahrzeuge und der Infrastruktur. Das spart Ressourcen und Energie – und wie eng Energie- und Mobilitätswende miteinander gekoppelt sind, wird aktuell deutlicher denn je.
Unsere Chancen, die Mobilität effizienter zu gestalten, stehen heute so gut wie nie zuvor. Uns stehen sowohl die technischen Möglichkeiten als auch der Veränderungswille zur Verfügung. Nun müssen wir es nur gemeinsam angehen.
Verfasst von
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Dr. Isabella Geis
Associate Partner – Deutschland, Frankfurt am Main
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