Von der Theorie zur Praxis: Die ESG-Erwartungen von Versicherungskunden entlang der Customer Journey
Veröffentlicht am 18. März 2025
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Nachhaltigkeit ist längst kein Modewort mehr – sie ist zu einem strategischen Muss für Unternehmen weltweit geworden, und die Versicherungsbranche bildet hier keine Ausnahme. Umwelt-, Sozial- und Governance-Aspekte (ESG) verändern Kundenerwartungen, regulatorische Rahmenbedingungen und Geschäftsstrategien von Versicherern. Doch wie stark beeinflussen diese Faktoren tatsächlich die Entscheidungen von Versicherungskunden weltweit?
Unsere Studie „From policy to practice: Understanding the ESG expectations of insurance customers along the customer journey“ untersucht genau diese Frage. Basierend auf Daten von 7.000 Kunden aus sechs Ländern – USA, Kanada, Großbritannien, Schweiz, Frankreich und Deutschland – liefert der Bericht wertvolle Einblicke in die Rolle der Nachhaltigkeit für die Zukunft der Versicherungsbranche.
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From policy to practice: Understanding the ESG expectations of insurance customers along the customer journeyZentrale Ergebnisse auf einen Blick
1. Nachhaltigkeitsprioritäten sind von Markt zu Markt unterschiedlich
Nachhaltigkeit ist für viele Kunden ein wichtiges Thema – allerdings variieren deren Prioritäten und die wahrgenommene Bedeutung je nach Region erheblich. Während in Europa und Kanada soziale Aspekte von ESG im Mittelpunkt stehen – mit besonderem Fokus auf gesellschaftliche Verantwortung in der Schweiz und Deutschland –, liegt der Schwerpunkt in den USA stärker auf Umweltfaktoren.
Gleichzeitig zeigt die Studie, dass ein bedeutender Anteil der Kunden Nachhaltigkeit überhaupt nicht in ihre Versicherungsentscheidungen einbezieht. Für diese Gruppe stehen Preis, Versicherungsumfang und Effizienz der Schadensregulierung weiterhin an erster Stelle. Das bedeutet, dass ESG-konforme Versicherungsprodukte gezielt auf spezifische Kundenbedürfnisse zugeschnitten werden müssen, statt davon auszugehen, dass sie für alle gleichermaßen attraktiv sind.

Soziale Nachhaltigkeit ist ein universelles Thema, das in der Markenkommunikation eine zentrale Rolle spielen sollte.
2. Die Zahlungsbereitschaft für nachhaltige Versicherungen
Nachhaltigkeit verkauft sich – aber nicht für jeden und nicht zu jedem Preis. Die Bereitschaft, für ESG-konforme Versicherungsprodukte mehr zu bezahlen, variiert je nach Land und Versicherungsart. In der Schweiz, Frankreich und den USA sind Kunden im Durchschnitt bereit, 10 % höhere Prämien für nachhaltige Versicherungen zu zahlen. In Deutschland und Kanada liegt diese Bereitschaft bei durchschnittlich 5 % – in Großbritannien ist sie noch niedriger. Diese Unterschiede spiegeln wider, wie Nachhaltigkeit in verschiedenen Ländern wahrgenommen und verstanden wird. 10% ist der Median der zusätzlichen Prämie, die Kunden in der Schweiz, Frankreich und den USA bereit sind, für nachhaltige Versicherungsprodukte zu zahlen. Nur 5% zusätzliche Zahlungsbereitschaft in Deutschland, noch geringer in Großbritannien und Kanada.
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10% ist der Median der zusätzlichen Prämie, die Kunden in der Schweiz, Frankreich und den USA bereit sind, für nachhaltige Versicherungsprodukte zu zahlen.
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Nur 5% zusätzliche Zahlungsbereitschaft in Deutschland, noch geringer in Großbritannien und Kanada.
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3. Regulatorische Vorgaben und Chancen für Versicherer
Regulierungsinitiativen, insbesondere in Europa, treiben Transparenz und Innovation voran. Vorgaben wie die EU-Taxonomie und die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) zwingen Versicherer dazu, ESG-Aspekte stärker in ihre Unternehmensführung, Produkte und Prozesse zu integrieren.
In weniger regulierten Märkten, wie den USA, gibt es hingegen mehr Spielraum für Innovationen – allerdings auch ein höheres Risiko für Greenwashing, da klare gesetzliche Leitlinien fehlen. Ohne transparente Standards könnten Versicherer ESG-Initiativen bewerben, ohne diese substanziell zu untermauern. Dies könnte Skepsis bei den Kunden schüren und die Frage aufwerfen, wie Nachhaltigkeit glaubwürdig in der Versicherungsbranche positioniert werden kann.
4. Nachhaltigkeit als Vertrauensfaktor
Die Studie zeigt einen direkten Zusammenhang zwischen der Wahrnehmung von Nachhaltigkeit und der Kundenbindung. Versicherer, die als ESG-Vorreiter wahrgenommen werden, erzielen höhere Net Promoter Scores (NPS).
Besonders in der Schweiz sind Kunden, die einen Versicherer als nachhaltig einstufen, deutlich eher bereit, ihn weiterzuempfehlen. Allerdings gibt es auch eine beachtliche Kundengruppe, für die Nachhaltigkeit kein entscheidendes Kriterium ist. Für diese Gruppe zählen vor allem finanzielle Sicherheit, Verlässlichkeit und eine unkomplizierte Schadensregulierung.
5. Nachhaltigkeitsbewusstsein: Generationen- und familienabhängige Unterschiede
Jüngere Generationen (18–34 Jahre) und Familien mit Kindern unter 18 Jahren sind die treibenden Kräfte hinter der Nachhaltigkeitsbewegung. Diese Gruppen zeigen ein hohes Bewusstsein für ESG-Themen und lassen Nachhaltigkeit stärker in ihre Versicherungsentscheidungen einfließen. Ältere Kunden und kinderlose Haushalte beschäftigen sich hingegen weniger mit dem Thema. In Ländern wie Großbritannien und Kanada ist das Bewusstsein für Nachhaltigkeit in der Versicherungsbranche insgesamt noch relativ gering. Diese Erkenntnisse unterstreichen die Notwendigkeit einer gezielten Kundenansprache: Während einige Gruppen ESG als Priorität erwarten, betrachten andere Nachhaltigkeit als zweitrangig oder gar irrelevant für ihre Versicherungsbedürfnisse.
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Jüngere Generationen (18–34 Jahre) und Familien mit Kindern unter 18 Jahren sind die Vorreiter der Nachhaltigkeitsbewegung.
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6. Produktinnovationen für Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit
Von „Pay-as-you-drive“-Kfz-Versicherungen bis hin zu nachhaltigen Wiederaufbauoptionen für Gebäude – Versicherer entwickeln zunehmend innovative Produkte mit ESG-Fokus. Doch die Herausforderung liegt darin, Nachhaltigkeit mit Wirtschaftlichkeit in Einklang zu bringen. In Märkten mit geringerem ESG-Bewusstsein müssen Versicherer Strategien finden, um nachhaltige Elemente in ihre Policen zu integrieren, ohne dass dies zu höheren Kosten für die Kunden führt. Statt separate „grüne“ Versicherungsprodukte anzubieten, kann es effektiver sein, ESG-Prinzipien schrittweise in Standardprodukte einzubinden. So lassen sich sowohl umweltbewusste als auch preissensible Kunden ansprechen und für Nachhaltigkeit sensibilisieren.
Gleichzeitig wird deutlich, dass in besonders risikobehafteten Bereichen – etwa bei Versicherungen für klimasensible Branchen – Grenzen der Versicherbarkeit bestehen. Hier gilt es, innovative Lösungen zu finden, die langfristig nachhaltige und wirtschaftlich tragfähige Modelle ermöglichen.
7. Nachhaltigkeit in der Schadensregulierung
Der Schadenregulierungsprozess bietet großes Potenzial für ESG-Integration. Digitalisierte Schadenmeldungen senken Emissionen, während nachhaltige Reparaturoptionen und präventive Maßnahmen die Kundenzufriedenheit und das Vertrauen stärken.
Doch der Erfolg solcher Maßnahmen hängt von der richtigen Kommunikation ab. Während ESG-affine Kunden digitale Schadensprozesse und nachhaltige Reparaturen als positiven Fortschritt sehen, betrachten weniger ESG-engagierte Kunden sie möglicherweise eher als reine Effizienzsteigerung.
Die Zukunft des Versicherungsvertriebs liegt in der ganzheitlichen ESG-Integration – durch die Verbindung von Kundenpräferenzen, regulatorischen Anforderungen und nachhaltigen Praktiken.

Was diese Studie zeigt
Die Ergebnisse zeigen, dass Nachhaltigkeit nicht nur eine regulatorische Vorgabe ist, sondern auch Einfluss auf die Kaufentscheidungen von Versicherungskunden haben kann. Unternehmen müssen ihre ESG-Strategie an verschiedene Kundengruppen anpassen, um sowohl regulatorische Anforderungen zu erfüllen als auch die steigenden Erwartungen moderner Kunden zu bedienen.
Durch die Integration von Nachhaltigkeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette – von Unternehmensführung über operative Abläufe bis hin zu Produkten und Schadenregulierung – können Versicherer:
- Kundenzufriedenheit und -loyalität steigern
- Eine stärkere, wettbewerbsfähigere Marke aufbauen
- Besser auf regulatorische und Marktentwicklungen reagieren
Dennoch müssen sie anerkennen, dass ESG für manche Kunden keine zentrale Rolle spielt. Nur durch die richtige Balance zwischen Nachhaltigkeit und den klassischen Versicherungsgrundlagen können Versicherer langfristig relevant bleiben.
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