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Klimaschutz und Wettbewerbsfähigkeit sind vereinbar

Veröffentlicht am 13. Januar 2025

  • Nachhaltigkeit
  • Staatliche und internationale Institutionen

In einem Artikel, der im vergangenen Dezember in L’Opinion (öffnet im neuen Tab) veröffentlicht wurde, nehmen Cédric Baecher, Nachhaltigkeitspartner bei Wavestone, und Maher Chebbo, Geschäftsführer von Univers Europe (Digital Renewables), Stellung zu der oft geäußerten Kritik, dass die europäischen Umweltziele unvereinbar mit den Anforderungen der Wirtschaft seien.

Mario Draghi erinnert in seinem jüngsten Bericht daran, dass die europäische Wirtschaft dringend Wachstum und Beschäftigung fördern sowie ihre Investitionen erheblich steigern muss – rund 800 Milliarden Euro pro Jahr –, um ihre globale Wettbewerbsposition zu sichern. Mit einem Bruttoinlandsprodukt von 16.970 Milliarden Euro im Jahr 2023 bleibt die EU nach den Vereinigten Staaten die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt, dicht gefolgt von China. Allerdings hat sich der Abstand zwischen den beiden führenden Volkswirtschaften im Hinblick auf ihr reales wirtschaftliches Gewicht deutlich vergrößert: von 17 % im Jahr 2002 auf 30 % im Jahr 2023.

Diese Zahlen haben einige dazu veranlasst, den ambitionierten Green Deal in Frage zu stellen, dessen Ziel es ist, ein saubereres, gesünderes und klimaneutrales Europa zu schaffen. Kritiker zweifeln daran, dass ökologische Ziele und wirtschaftliche Anforderungen miteinander vereinbar sind.

Eine riskante Doppelspitze

Die Machtverteilung innerhalb der neu eingesetzten Europäischen Kommission wirkt sowohl vielversprechend als auch risikobehaftet. Vizepräsidentin Teresa Ribera, eine Befürworterin des Umweltschutzes und zentrale Figur des Pariser Abkommens, ist für den „sauberen Übergang“ sowie für Wettbewerbsfragen zuständig. Stéphane Séjourné hingegen übernimmt die Verantwortung für die Industriepolitik und die Umsetzung des Green Deal.

Einerseits könnte man sich darüber freuen, dass Europa versucht, beide Bereiche miteinander zu vereinen – ein lobenswerter Ansatz, der den Green Deal stärker an industrie- und wettbewerbsrelevante Fragen anpasst, wie es im Draghi-Bericht gefordert wurde.

Andererseits besteht die Sorge, dass eine komplexe Governance-Struktur und sich überschneidende Zuständigkeiten zu Schwierigkeiten bei der Umsetzung und Führung führen könnten. Während die Unterstützung der Wirtschaft für das politische Projekt der EU und ihre Vision von einer wettbewerbsfähigen Zukunft weiterhin essenziell bleibt, äußern einige Entscheidungsträger die Befürchtung, dass strengere Nachhaltigkeitsvorgaben Wachstum und Rentabilität übermäßig belasten könnten. Tatsächlich haben einige Branchen bereits dazu aufgerufen, den Green Deal in Teilen zurückzunehmen.

Dennoch legt Europa den Grundstein für seine künftige wirtschaftliche Dynamik. Anders als die häufig an nationale Regierungen gerichtete Kritik wegen fehlender Weitsicht hat die EU eine mutige Entscheidung getroffen: Sie hat sich weltweit an die Spitze des nachhaltigen Wandels gestellt.

Der Europäische Green Deal bringt strenge Vorschriften mit sich, schafft jedoch gleichzeitig einen neuen Rahmen, in dem Unternehmen, die strategisch investieren, Wettbewerbsvorteile erlangen und sich von der Konkurrenz abheben können. Die notwendigen Investitionen zur Anpassung der Branchen an den Klimawandel (…) werden entscheidend sein. Digitale Technologien und künstliche Intelligenz werden dabei eine Schlüsselrolle spielen, um die Dekarbonisierung voranzutreiben und die Energieintensität zu reduzieren.

Europas Führungsrolle im Bereich Nachhaltigkeit stärken

Der Green Deal bringt strenge Vorschriften mit sich, schafft jedoch auch einen neuen Rahmen, in dem Unternehmen, die strategisch investieren, Wettbewerbsvorteile erlangen und sich von der Konkurrenz abheben können. Die notwendigen Investitionen zur Anpassung von Branchen an den Klimawandel – etwa in Speichertechnologien, Gebäudevernetzung oder Energieeffizienz – eröffnen neue wirtschaftliche Chancen. Digitale Technologien und künstliche Intelligenz werden dabei eine Schlüsselrolle spielen, insbesondere bei der Dekarbonisierung und der Reduktion der Energieintensität.

Es geht darum, Europa angesichts des wachsenden globalen Wettbewerbs einen entscheidenden Vorsprung zu verschaffen. Multinationale Unternehmen erkennen zunehmend, dass es in ihrem Interesse liegt, sich auf die neue europäische Realität einzustellen, insbesondere im Hinblick auf die künftige Anwendung des CSRD-Prinzips der Extraterritorialität.

Wie der Leiter eines großen US-amerikanischen Unternehmensverbands am Rande der Biodiversitätskonferenz COP16 in Cali anmerkte: „Wir hätten nicht erwartet, dass Europa den Übergang so schnell und konsequent umsetzt. Unsere Unternehmen werden sich selbstverständlich an die neuen Spielregeln anpassen, um die Kontinuität ihrer transnationalen Geschäftstätigkeit zu gewährleisten.“

Schluss mit der Kritik an Regulierungen

Der Schlüssel zum Erfolg für europäische Unternehmen liegt in Synergien, dem Aufbau von Allianzen und der Nutzung aller positiven Kräfte – nicht in steriler Kritik, Regulierungsbashing oder „name and shame“.

Unser gemeinsamer Erfolg erfordert eine fortwährende Zusammenarbeit zwischen öffentlichen und privaten Akteuren sowie der Zivilgesellschaft. Europa kann dabei auf bedeutende Stärken bauen, darunter eine lange Tradition und fundiertes Fachwissen in kollaborativer Innovation und der gemeinsamen Finanzierung innovativer Industrieprojekte. Europa war stets eine treibende Kraft bei der Standardisierung von Technologien und Vorschriften für eine nachhaltige Entwicklung.

Es liegt an uns, diese Erfolgsgeschichte fortzuschreiben und unsere Vision einer Wirtschaft von morgen zu verwirklichen – eine Wirtschaft, die Wohlstand und Verantwortung in Einklang bringt. Indem wir neue Modelle für einen nachhaltigen Wandel entwickeln, einsetzen und verbreiten, können wir unsere Führungsrolle behaupten und Europa als Referenzkontinent für nachhaltige Innovation und Entwicklung etablieren.

Verfasst von:

  • Cédric Baecher

    Partner – Frankreich, Paris

    Wavestone

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  • Maher Chebbo

    Managing Director – France, Paris

    Univers Europe

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