Omnichannel-Strategie: So stellen Versicherungen ihre Zukunftsfähigkeit sicher
Veröffentlicht am 15. Mai 2024
- Customer Experience
- Versicherungen
Im Zeitalter des hybriden Kunden wird maximale Kundenzufriedenheit erfolgs- und zukunftskritisch. Künftig müssen Versicherer den hybriden Kunden und seine Erwartungen an begeisternde Kundenerlebnisse strikt ins Zentrum des Handelns stellen – und das geht weit über Kommunikation, Marketing und den Vertrieb hinaus. Denn: Kundenbedürfnisse werden immer individueller – und die hybriden Customer Journeys zunehmend vielfältiger.
Die konsequente Umsetzung einer Omnichannel-Strategie ist jetzt ein entscheidender Erfolgsfaktor, um sich nachhaltig als relevanter Player im Versicherungsmarkt zu positionieren. Für Versicherer heißt es: Die Potenziale einer Omnichannel Customer Journey vollends zu erkennen und sie als Pflicht, statt nur als Kür zu verstehen.
Zukunftshebel #1
Convenience als oberste Maxime
Optimierung der Customer Journey auf Endkundenbedarfe
HEUTE: Bei Versicherern herrscht seit jeher ein produktzentrierter Ansatz sowie ein kleinteiliges, nach innen gerichtetes Denken in Sparten und Vertriebswegen. Im Fokus der Vermarktung und des Vertriebs stehen separate Produktlösungen, die einzelne Bedarfe der Kunden bedienen. Das Resultat ist eine unübersichtliche Vielzahl an Einzellösungen, die den Interessent:innen in verschiedensten Apps und Plattformen präsentiert werden. Das Kernproblem ist also: Versicherer betrachten ihre Vertriebswege noch nicht ganzheitlich und gestalten entsprechend auch ihre Services nicht übergreifend. Doch hybride Versicherungskunden wünschen sich in erster Linie Einfachheit, Transparenz und Flexibilität bei Produkten und Services. In der Versicherungsbranche ist dies noch ausbaufähig. Die ersten Versicherer beginnen zwar, den hybriden Kunden in den Mittelpunkt ihres Handelns zu stellen, bis zur maximalen Kundenzentrierung ist es jedoch noch ein weiter Weg.
ZUKUNFT: In Zukunft denken Versicherer in Lebenswelten statt in Sparten. Die oberste Maxime ist daher die Convenience für den Kunden. Die Versicherung der Zukunft ist vernetzt, flexibel und bedarfsorientiert. Die Kunden wechseln nahtlos zwischen digitalen und analogen Kanälen, ohne Medienbrüche zu bemerken. Das Credo lautet: „Channel Agnostic, Customer Centric“. Egal über welchen Touchpoint Kunden in Kontakt mit Versicherern treten, die Customer Journey ist stets auf ihre Bedarfe optimiert und sie erhalten die Information, Beratung und Leistung, die sie benötigen. Neben allen digitalen Touchpoints hat auch der menschliche Faktor einen hohen Stellenwert, insbesondere bei der Beratung und dem Vertragsabschluss.
- Der Kunde kann Zeitpunkt, Ort und Kanal für den Abschluss von Produkten, Services und die Kommunikation mit seinem Versicherer frei wählen. Versicherer, die ihre Kunden, deren Bedürfnisse und Kanäle genau kennen, können die Kundenzufriedenheit durch personalisierte Angebote und Services mit absoluter Convenience steigern.
- Indem sich Versicherer in den Lebenswelten ihrer Kunden platzieren, können sie Angebote bündeln und vernetzen sowie die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle rund um Kundenbedarfe wie Mobilität, Vorsorge oder Absicherung vorantreiben. Kunden erhalten dadurch zum Beispiel das Familienabsicherungspaket, hinter dem sich eine Haftpflichtversicherung, eine Todesfallleistung und eine Krankenzusatzversicherung verbergen.
- Es entsteht eine effizientere und komfortablere Beratung für jeden Bedarfsfall der Endkunden. So werden wertvolle Vertriebszeit und unnötige Kosten durch individuelle Ansprache und Angebotskonzepte eingespart.
- Die Versicherungsbranche muss sich schnell von der unternehmenszentrierten Sicht einer Produktentwicklung und -platzierung (Inside-Out) lösen, die sich ausschließlich an der Erreichung interner Ziele orientiert. Stattdessen gilt es, den Kunden mit seinen Anforderungen und Erwartungen ins Zentrum zu stellen und entsprechende Produkte, Services und Kommunikationsstrategien zu entwickeln. Die wichtigsten Quellen für Innovationen sind nicht mehr der Markt und Wettbewerb, sondern die Bedürfnisse der Kunden.
- Für eine nahtlose Customer Journey müssen Versicherer intern einen großen Wandel in Sachen Angebotsgestaltung und -system vollziehen. Künftig muss das zentrale Angebotssystem in der Lage sein, Produkte verschiedener Sparten zusammenzuführen und in individuellen Lösungen in einem Warenkorb zu bündeln. Auch die Flexibilität der Versicherungsprodukte muss im Sinne einer maximalen Kundenzentrierung erhöht werden.
- Versicherer müssen ihre Datenkompetenzen zügig ausbauen und zu Data Companies werden. Der richtige Umgang mit Daten wird erfolgskritisch. Nur so können Versicherer ihre Services und Produkte an jedem für den Kunden passenden Touchpoint bereitstellen und diese nahtlos in Ökosysteme und Plattformen integrieren.
Zukunftshebel #2
Omnichannel-Strategie statt Multichannel-Strategie
Konsistentes Kundenerlebnis durch medienbruchfreie Omnichannel Customer Journey
HEUTE: Versicherer legen den Fokus primär auf die jeweilige Abteilung oder Organisationseinheit, die ihre eigenen (häufig historisch gewachsenen) Prozesse und Kanäle verfolgt. Innerhalb des Unternehmens sind die entsprechenden Abläufe zumeist nicht bekannt oder werden sogar als Wettbewerb betrachtet. Auf diese Weise bieten Versicherer ihren Kunden zwar eine Vielzahl an Kommunikationskanälen, die allerdings nur auf einzelne Prozesse zugeschnitten sind und in einer Multichannel-Strategie nebeneinander koexistieren. Es entsteht eine fragmentierte Kommunikation, die nicht den Bedarfen der Kunden entspricht. Weil Kundendaten nicht verknüpft sind und nicht in Echtzeit bereitgestellt werden können, entsteht außerdem eine Vielzahl an Datensilos. Dies erschwert Marketingaktivitäten und die bestmögliche Kundenansprache.
ZUKUNFT: Versicherer setzen auf eine vollständig integrierte Omnichannel-Strategie. Diese ermöglicht über alle Kontaktpunkte und Kanäle hinweg eine voll digitalisierte, vernetzte und medienbruchfreie Customer Journey. Auch bei einem Kanalwechsel erhalten Kunden ein nahtloses, konsistentes Kundenerlebnis und können sich auf die ständige Begleitung durch den Versicherer verlassen. Hinderliche Datensilos sind aufgelöst, sodass die richtigen Daten, zur richtigen Zeit, an der richtigen Stelle verfügbar sind und die bestmögliche User Experience geboten wird.
- Omnichannel-Strategien steigern die Kundenzufriedenheit und die Conversion-Rate immens. Ausgereifte Omnichannel Customer Journeys und maximale Kundenzentrierung bieten die Möglichkeit der multimodalen, nahtlosen und bedarfsorientierten Absicherung und Vorsorge und somit einen Kundenmehrwert.
- Durch die Verknüpfung sämtlicher Vertriebskanäle und Touchpoints erhalten Versicherer einheitliche Daten. Diese werden mit jedem Kundenkontakt gesammelt und im Backend gespeichert. Mitarbeitende können diese jederzeit aufrufen, was die Gestaltung eines nahtlosen Kundenerlebnisses, das Marketing sowie Vertrieb und Support erleichtert.
- Versicherungsunternehmen, die sich Omnichannel heute schon zur Aufgabe machen, minimieren das Risiko eines gesteigerten Wettbewerbs durch innovative Unternehmen. Sie setzen sich von Konkurrenten ab und erarbeiten sich durch eine durchdachte Kundenkontaktsteuerung einen relevanten Wettbewerbsvorteil, den es weiter auszubauen gilt.
- Eine effiziente Omnichannel-Strategie muss ein systematisches Lead Management unterstützen. Denn nicht jede Kundenanfrage mündet in einem Abschluss. Oftmals nutzen Versicherungskunden für ihre Recherche verschiedene Kanäle und es entstehen diverse Angebote. All diese Informationen gilt es zusammenzuführen und dem Vertriebsmitarbeitenden oder dem Vermittler als qualifizierten Lead zur Verfügung zu stellen.
- Versicherer benötigen eine integrierte IT-Infrastruktur, die die nahtlose Anbindung aller Kanäle ermöglichen muss. Die Systeme müssen in Echtzeit miteinander kommunizieren, um den Kunden an jedem beliebigen Touchpoint optimal abzuholen. Hierfür ist ein zentrales Datenmanagement notwendig, das Versicherer im Zweifel an einen externen IT-Partner auslagern können, wenn die internen Möglichkeiten fehlen.
- Um sämtliche Prozesse auf eine Omnichannel-Strategie auszurichten, müssen bestehende Silos eingerissen und die gesamte Organisationsstruktur eines Unternehmens angepasst werden. Diese Transformation muss sich zwangsläufig in der Unternehmenskultur widerspiegeln, da Mitarbeitende diese Transformation mittragen müssen. Für Versicherungsunternehmen gilt daher, die Belegschaft frühzeitig zu sensibilisieren und transparent zu kommunizieren.
Zukunftshebel #3
Digitalisierte Customer Journey für den Versicherungsvertrieb
Digitalisierung ermöglicht Kundenzentrierung und Effizienz
HEUTE: Kunden erfahren von den GAFAs, aber auch InsurTechs oder Vergleichsplattformen einen durchgehend hohen Grad an Digitalisierung. In der Versicherungsindustrie sind viele Abläufe allerdings noch nicht digitalisiert. So tun sich Versicherer schwer damit, die existierenden und funktionierenden analogen Touchpoints ins Digitale zu übertragen und in eine digitalisierte Customer Journey zu implementieren. Vom Vertragsabschluss bis zur Schadenmeldung und einer Vielzahl anderer Kundenkontakte beinhalten einige Abläufe prozessbedingt noch immer analoge Kommunikationsschritte, welche Kunden als störende Medienbrüche wahrnehmen. Das irritiert bei zunehmend gewohnter digitaler User Experience und hindert Versicherer daran, das gesamte Potenzial der Dunkelverarbeitung auszuschöpfen.
ZUKUNFT: Die Versicherung der Zukunft hat einen vollständig digitalisierten Versicherungsbetrieb mit durchgängigen und hochgradig automatisierten Prozessen. Bestehende analoge Kanäle werden in die Omnichannel-Strategie integriert, sodass jegliche Daten in digitalisierter Form vorliegen. Ebenso können Kunden digitale Touchpoints nutzen, um selbstständig und automatisiert die Änderung von Stammdaten oder Verträgen vorzunehmen. So gewährleisten Versicherer unabhängig vom gewählten Touchpoint die bestmögliche intuitive User Experience während der Customer Journey. Neben den verbesserten Services beherrschen innovative, flexible und kundenorientierte sowie digitale und vernetze Geschäftsmodelle den Markt. Allianzen und Kooperationen zwischen neuen und traditionellen Anbietern bieten ein Spektrum an multimodalen, gebündelten Lösungen sowie nahtlose und nachhaltige Absicherungs- und Vorsorgelösungen.
- Digitalisierung ermöglicht Kundenzentrierung bei maximaler Effizienz: Angebote und Kontaktmöglichkeiten für Endkunden können auf der Produkt- und Serviceebene neu gedacht oder optimiert werden. Gleichzeitig erhöhen digital unterstützte Schaden-, Leistungs- und Serviceprozesse die Transparenz, Schnelligkeit und Effizienz auch auf Seiten der Versicherer. Verwaltungskosten werden verbessert, indem Ressourcenbedarfe reduziert und Auslastungen erhöht werden.
- Über digitale Vertriebswege lassen sich Daten sammeln, die die Erstellung hyperpersonalisierter und noch zielgerichteterer Angebote ermöglichen. Durch die Verschmelzung digitaler und analoger Vertriebswege können Versicherer das Potenzial von Cross- und Upselling steigern, den Verkaufserfolg nachhaltig sichern und zugleich langfristig überregional ausbauen.
- Digitalisierung und Automatisierung können den Vertrieb unterstützen. Durch die zusätzlichen digitalen Kontaktmöglichkeiten haben Versicherer mehr Zeit und Flexibilität, sich ihrer Kernaufgabe – der Kundenbetreuung – zu widmen (z. B. der Videotelefonie, die eine qualitative Beratung ohne lange Anfahrtswege ermöglicht).
- Versicherer, die sich nicht nur auf ihren bestehenden Kundenschnittstellen ausruhen und stattdessen vermeintlichen Trends wie dem Metaverse Beachtung schenken, sind im Vorteil. Langfristig ist nicht auszuschließen, dass sich Kunden zunehmend in virtuellen Communities aufhalten und auch dort angesprochen werden möchten. In der Zukunft könnten Versicherer Produkte und Services auf diese Weise gemeinsam im Metaverse entwickeln und virtuell testen.
- Versicherer müssen ihre Vertriebe, Produkte und Kundendaten an die Digitalisierung anpassen und entsprechend ausweiten. Das bedeutet, jegliche Kundenkommunikation, sowohl im Vertrieb als auch im Service und im Schadenfall, muss digital und mobil gedacht werden und omnichannel-fähig sein.
- Um die Digitalisierung bei Versicherern erfolgreich umzusetzen, benötigt es einheitliche und verbindliche Datenstandards. Durch historisch gewachsene Prozesse und Systemlandschaften der Versicherungen gibt es zu viele unterschiedliche Schnittstellen und Datenformate, welche die Kompatibilität und Kooperation sowie Vernetzung zwischen den Angeboten und Akteuren behindern.
- Versicherer, die Digitalisierung nicht konsequent umsetzen, verlieren langfristig ihren Wettbewerbsvorteil und ihre Kunden.
Die fünf Touchpoints für die zukunftsfähige Omnichannel-Strategie in der Versicherungsbranche
Aus den Ansprüchen der hybriden Kunden, dem Wandel der Customer Journey und dem allgemeinen digitalen Wandel ergeben sich fünf Handlungsfelder für die Versicherungsbranche der Zukunft.
Um den Bedürfnissen der hybriden Kunden und den Marktanforderungen gerecht zu werden, müssen Versicherer neue datenbasierte Geschäftsmodelle entwickeln. Gleichzeitig haben sie die Möglichkeit, neue Geschäftsfelder zu erschließen. Dies führt schon heute zu hyperpersonalisierten Produkten und Services, wie der datengetriebenen Prävention durch die Einführung von Telematik-Tarifen bei Kfz-Versicherungen. Parallel entstehen Geschäftsfelder, bei denen Versicherer ihre Datenexpertise verwenden, um mithilfe von IoT (smarte Sensoren), Data Analytics und KI die Wartung von Windkrafträdern zu optimieren, um potenzielle Schadenfälle proaktiv abzuwenden.
Um künftig kundenzentrierte, kostengünstige und gleichzeitig rentable Lösungen anbieten zu können, müssen Versicherer historisch gewachsene Prozesse und Systemlandschaften mit Fokus auf die Anforderungen einer Omnichannel-Kundenkommunikation optimieren oder gänzlich neu aufbauen. Am Ende steht die größtmögliche Automatisierung von Schaden-, Leistungs- und Serviceprozessen, welche einerseits die Kundenzufriedenheit steigern und durch ihre Effizienz andererseits die Verwaltungskosten optimieren.
Neue digitalisierte Technologien ermöglichen smarte Anwendungen und Lösungen in der Versicherungsbranche. Jegliche Aktivitäten sind im Sinne einer Omnichannel-Strategie auf den Bedarf, das Such- und Informationsverhalten und die Kaufbereitschaft von Kunden ausgerichtet. Um schnell auf die sich rasch ändernden Bedürfnisse zu reagieren, werden Produkte, Services und Lösungen in kürzeren Innovationszyklen entstehen, wofür Versicherer innerhalb ihrer Organisation in agilen Teams agieren müssen. Das dafür benötigte Mindset können sie sich schon heute von FinTechs und InsurTechs abschauen oder Kooperationen mit ihnen eingehen.
Die Umsetzung der ESG-Richtlinien birgt große Chancen, um nachhaltige Kapitalanlagen in Versicherungsportfolios umzusetzen und einen messbaren Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit zu leisten. Durch die Integration von Nachhaltigkeitspräferenzen in die Beratungs- und Abschlussstrecken der Versicherer ist ein erster großer Schritt in Richtung nachhaltig klassifizierte Anlagen getätigt worden, was sich auf die Lenkung von Kapitalflüssen auswirkt. Dies setzt Versicherer und die Entwicklung ihrer Produktportfolios unter Zugzwang – denn Kunden mit Nachhaltigkeitspräferenzen erwarten auch ein entsprechendes Produkt. Die Erwartungen im Nachhaltigkeitskontext richten sich zudem nicht nur an Versicherungsprodukte, sondern zunehmend auch an Versicherungsunternehmen als Organisation.
Der hybride Kunde mit seiner individuellen Customer Journey verlangt eine Omnichannel-Kommunikation. Das bietet DIE Möglichkeit zur Steigerung der Kundenzufriedenheit durch hyperpersonalisierte Angebote und Services mit absoluter Convenience für Kunden. Sie stehen mit ihren Bedürfnissen im Fokus und erhalten ein durchgängiges, individuelles und auf den jeweiligen Bedarf angepasstes Kundenerlebnis von der Erstinformation bis zum Leistungsfall beim Versicherer.
Verfasst von
-
Uta Niendorf
Partner – Deutschland, Hamburg
Wavestone
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