Insight

Compliance, Risikomanagement & Resilienz: Auf Nummer sicher gehen – oder die Zukunft gestalten?

8 minutes | Veröffentlicht am 7. April 2025

  • Compliance & Resilienz

Key takeaways

  • Der Regulierungsdruck nimmt weiter zu. Selbst Mindestanforderungen kosten inzwischen erhebliche Ressourcen

  • Robuste IT-Risikosteuerung und klare Compliance stärken Ihr Geschäft langfristig

  • Mit der richtigen Strategie wird KI zum Helfer bei Risikoerkennung und Regelkonformität

  • ESG gehört ins Zentrum der Unternehmensstrategie – es sichert Vertrauen und Zukunftsfähigkeit

  • Globale Risiken verlangen nach einer vernetzten Antwort: mit starker Governance, Innovation und kluger Regulierung

Unternehmen sehen sich mit einer Flut regulatorischer Anforderungen konfrontiert, was die Herausforderungen in Risikomanagement und Compliance zunehmend komplex gestaltet. Viele Unternehmen kritisieren die Regulierungsflut und ächzen unter den Belastungen, die durch die Umsetzung entstehen. Doch Unternehmen müssen eine grundsätzliche Entscheidung treffen: Wollen sie Regulierungen und Minimalstandards lediglich erfüllen? Oder wollen sie die Regulatorik nutzen, um die eigene Zukunft aktiv zu gestalten? Denn Risikomanagement und Compliance bieten, wenn richtig umgesetzt, immer auch Chancen, um Innovation und Wachstum voranzutreiben. 

#1 Vom Silo zur Strategie

Die Verantwortung für Compliance liegt letztlich bei der Unternehmensführung, die für Leitung und Aufsicht sorgen muss. Gleichzeitig muss anerkannt werden, dass allen Mitarbeitenden im gesamten Unternehmen eine entscheidende Rolle bei der Einhaltung aller gesetzlichen Vorschriften und Regeln zukommt. Diese Aufgabe erfordert sowohl finanzielle als auch personelle Ressourcen, was vielleicht erklärt, warum manche Unternehmen zögern, diesem Bereich Priorität einzuräumen. In der Praxis führt dies häufig dazu, dass nur die absolut notwendigen regulatorischen Mindestanforderungen erfüllt werden. Es ist jedoch an der Zeit, diesen Ansatz zu überdenken. Die gegenwärtigen und künftigen regulatorischen Anforderungen stellen Unternehmen vor immense Herausforderungen. Komplexe Regelwerke – von der neuen Geldwäscheregulierung bis zur Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) – erfordern erhebliche Anpassungen. Selbst bei einer Minimalstrategie, die nur auf die Erfüllung der Grundanforderungen abzielt, sind bedeutende Ressourcen und Investitionen notwendig.

Die gute Nachricht: Ein effizientes, wirksames und angemessenes Compliance-Management-System (CMS) kann Unternehmen dabei unterstützen, rechtliche Sanktionen, finanzielle Verluste und Reputationsrisiken zu vermeiden. Zusammen mit soliden Rahmenwerken für das IT-Risikomanagement, strategischen Governance-Steuerungsmechanismen und einer robusten IT-Infrastruktur entsteht so ein umfassendes Abwehrsystem.

Gleichzeitig gewährleistet dieser integrierte Ansatz nicht nur die Einhaltung regulatorischer Vorgaben, sondern fördert auch eine Unternehmenskultur, die von Integrität und Transparenz geprägt ist. Solide Kontrollmechanismen der IT-Governance ermöglichen die erforderliche Übersicht und Steuerung, um Compliance-Anforderungen unternehmensweit zu überwachen, während (IT-)Risikomanagementstrategien Unternehmen in die Lage versetzen, proaktiv auf neu entstehende Herausforderungen zu reagieren.

Regulatorische Anforderungen haben immer auch eine strategische Dimension. Unternehmen sollten diesen Aspekt gezielt als Chance nutzen, ihre Gesamtstrategie kritisch zu reflektieren und anzupassen. Die regulatorischen Rahmenbedingungen bieten dafür wertvolle Anhaltspunkte, denn sie machen eine gründliche Analyse der internen Strukturen und organisatorischen Abläufe unerlässlich. Bleiben Compliance und Risikomanagement isolierte Funktionen in getrennten Abteilungen und werden sie lediglich als lästige Pflichtübung betrachtet, verhindert dies die erfolgreiche Umsetzung der notwendigen Transformation. Eine nachhaltige Lösung setzt eine unternehmensweite Ausrichtung, das Aufbrechen von Silos und eine breite Verankerung der relevanten Kompetenzen im gesamten Unternehmen voraus. So wird sichergestellt, dass alle Beteiligten ihre Rolle bei der Einhaltung von Regeln und Vermeidung von Risiken verstehen.

Entscheidend für den Erfolg ist der „Tone from the Top“. Damit ist das Bekenntnis der Unternehmensleitung zu regelkonformem Verhalten gemeint. Dies darf kein Lippenbekenntnis bleiben, sondern muss aktiv gelebt werden. Dazu gehört auch die konsequente Aufklärung und Sanktionierung von Compliance-Verstößen.

Dieser Aspekt steht in engem Zusammenhang mit einer Unternehmensstrategie, die auf Compliance und Risikomanagement ausgerichtet ist. Führungskräfte:innen auf allen Ebenen sind daher gefordert, sich mit den strategischen Komponenten auseinanderzusetzen und die Beteiligung in ihren Teams zu fördern.

Ziel ist es, eine Unternehmenskultur zu etablieren, in der Risikomanagement und Compliance fester Bestandteil des unternehmerischen Denkens und Handelns sind. Dieser Ansatz bildet die Grundlage für langfristige Resilienz und Innovationskraft

Ziel ist es, eine Unternehmenskultur zu etablieren, in der Risikomanagement und Compliance fester Bestandteil des unternehmerischen Denkens und Handelns sind.

Christian Brockhausen, Associate Partner

#2 Die Globalisierung von Risiken: Komplexität über Grenzen hinweg managen

Die Herausforderungen der Globalisierung für das Risikomanagement von Unternehmen sind nicht neu. Dennoch haben die letzten Jahre teils drastisch vor Augen geführt, wie anfällig Unternehmen durch komplexe Verflechtungen in einer immer komplexer werdenden Welt sind. Erschwerend kommen umfangreiche und teilweise international unterschiedliche gesetzliche Vorschriften hinzu.

Die rasche Zunahme neuer Regelungen macht es für Unternehmen zunehmend schwierig, mit den ständigen Veränderungen Schritt zu halten. Allein die Europäische Union hat mit der CSRD, DORA, dem AI Act und der DSGVO Regelwerke geschaffen, die Unternehmen an ihre Belastungsgrenzen bringen. Darüber hinaus zeichnen sich bereits weitere, noch komplexere Vorschriften am Horizont ab.

Hinzu kommt die technologische Entwicklung, deren Dynamik zunehmend schwer zu beherrschen ist. Der CrowdStrike-Vorfall im letzten Jahr hat dies auf besorgniserregende Weise veranschaulicht: Ein fehlerhaftes Update führte zu weltweiten Systemausfällen und machte deutlich, wie anfällig Unternehmen heute aufgrund internationaler, kaum durchschaubarer Verflechtungen sind. Folglich erweitert sich die Risikolandschaft und erfordert innovative Lösungen – einschließlich des Risikomanagements für Drittparteien wie Lieferanten oder externe Dienstleister. Um diese Komplexität erfolgreich zu bewältigen und die Herausforderungen aktiv anzugehen, benötigen Unternehmen eine umfassende globale Strategie für ihre Compliance- und Risikomanagementaktivitäten. Die zunehmende Komplexität muss frühzeitig in die Risikostrategien integriert und regelmäßig überprüft werden. Technologien wie Künstliche Intelligenz können dabei wertvolle Unterstützung leisten.

Die rasche Zunahme neuer Regelungen macht es für Unternehmen zunehmend schwierig, mit den ständigen Veränderungen Schritt zu halten.

Mathew Wells, Associate Partner

#3 Die Chancen von KI: Regulatorische Herausforderungen meistern und Innovation freisetzen

Die Diskussion über künstliche Intelligenz (KI) ist allgegenwärtig, auch in den Compliance- und Risikomanagement-Abteilungen der Unternehmen. Die technologische Entwicklung verläuft äußerst dynamisch. Mit dem AI Act der Europäischen Union (EU) wurde ein erster Versuch unternommen, die Entwicklung der Technologien und die damit verbundenen Möglichkeiten zu regulieren. Andere Länder beobachten genau, welche Auswirkungen der AI Act haben wird, weitere Gesetze werden folgen. Dabei stellt sich die grundsätzliche Frage: Wie geht man mit den Risiken und Potenzialen einer Technologie um, deren Auswirkungen noch völlig unabsehbar sind?

Der Versuch, diese Frage zu beantworten, führt bei Unternehmen oft zu einer Konzentration auf den Aufbau von AI-Governance und die Erfüllung gesetzlicher Anforderungen. Das ist unerlässlich. Denn Unternehmen müssen bereit sein, die Auswirkungen von KI zu managen, sobald diese zutage treten.

KI kann jedoch mehr sein als nur der Auslöser eines weiteren Regulierungsproblems für Unternehmen – sie kann und sollte Teil der Lösung sein. Denn KI bietet enormes Potenzial, insbesondere in den Bereichen Compliance und Risikomanagement. Der Finanzsektor hat hier aufgrund bestehender umfassender Regulatorik einen gewissen Vorsprung. Mit künftigen Regulierungen steigen die Anforderungen jedoch weiter. So werden etwa die Vorschriften zur Prävention von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung in den kommenden Jahren deutlich strenger, was unter anderem mit neuen Pflichten hinsichtlich Know-Your-Customer-Aspekten und der engmaschigeren Überwachung von Transaktionen einhergeht. Einige Unternehmen haben bereits erkannt, welche Chancen KI bieten kann. Andere Unternehmen bleiben hingegen zu sehr an der Oberfläche und lassen Potenziale ungenutzt.

Unternehmen, die KI primär als Herausforderung für Compliance und Risikomanagement sehen, verkennen das enorme Potenzial zur Stärkung dieser Bereiche.

Mathew Wells, Associate Partner

#4 ESG vernachlässigen? Ein gefährliches Spiel mit langfristigen Risiken

Angesichts wirtschaftlicher und politischer Entwicklungen sowie globaler Krisen sind ESG-Aspekte zuletzt in den Hintergrund getreten. Diese Bemühungen jedoch zurückzustellen, ist ein schwerwiegender Fehler. Denn auch wenn aktuelle Entwicklungen drängender erscheinen mögen, sind Faktoren aus den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG) zunehmend grundlegende Elemente, die Unternehmen berücksichtigen müssen, um langfristig widerstandsfähig zu sein.

Viele Unternehmen sind sich etwa der Konsequenzen, die der Klimawandel und die Klimafolgen für sie haben können, kaum bewusst. Steigende Temperaturen, häufigere Naturkatastrophen und das Risiko von Ressourcenknappheit werden langfristige Folgen für die gesamte Wirtschaft haben. Nicht nur ökologische Herausforderungen, sondern auch soziale Ungleichheit und Mängel in der Unternehmensführung werden in den kommenden Jahren und Jahrzehnten ganze Branchen grundlegend verändern.

Unternehmen müssen daher ESG-Risiken priorisieren, versuchen zu quantifizieren und aktiv zu managen. Ein klarer, strategischer Ansatz hilft nicht nur dabei, regulatorische Anforderungen zu erfüllen, sondern eröffnet auch Chancen für neue Geschäftsmodelle und nachhaltige Innovationspotenziale. Unternehmen, die jetzt in ESG-Initiativen investieren und ökologische, soziale sowie ethische Grundsätze fest in ihre Wertschöpfungsketten integrieren, stärken ihre Position langfristig und sichern sich einen Wettbewerbsvorteil in Zeiten des Wandels. ESG-Integration ist mehr als nur ein Compliance-Thema: Sie ist der Schlüssel zu einer zukunftsfähigen und widerstandsfähigen Unternehmensstrategie.

ESG-Bemühungen angesichts politischer Entwicklungen und globaler Krisen zurückzustellen, ist ein schwerwiegender strategischer Fehler.

Jan-Hendrik Uhlenberg, Partner

Weiter denken – weiter gehen   

In einer Welt zunehmender Unsicherheit und komplexer Anforderungen müssen Unternehmen entscheiden, wie sie sich positionieren wollen. Sie können sich darauf beschränken, nur das Notwendigste zu tun: Aber wer Risikomanagement, Regulierung und Compliance strategisch angeht, stärkt nicht nur die eigene Resilienz, sondern setzt auch Maßstäbe in einer Welt im Wandel.

Ein proaktiver Umgang mit Regulierung und Risikomanagement fördert Stabilität und schafft eine Unternehmenskultur, die Chancen erkennt und den Wandel aktiv gestaltet. Organisationen, die sich strategisch aufstellen und kluge Investitionsentscheidungen treffen, sichern ihre langfristige Wettbewerbsfähigkeit und gestalten Zukunftsmärkte.

Author

  • Mathew Wells

    Associate Partner – Vereinigtes Königreich, London

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  • Jan-Hendrik Uhlenberg

    Partner – Deutschland, Hamburg

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  • Christian Brockhausen

    Associate Partner – Deutschland, München

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