Von Adhärenz zu Ergebnissen: Patientenunterstützungs-
programm der Zukunft
Veröffentlicht am 16. Mai 2024
- Life Sciences
Patientenunterstützungsprogramme (PSP) bieten traditionell eine statische Form von Unterstützung. Unabhängig davon, ob sie sich beispielsweise auf Patientenaufklärung oder Adhärenz konzentrieren, ist die Einbeziehung durch das Supportprogramm häufig „einseitig“. Selbst wenn Techniklösungen, wie SMS-Erinnerungen, eingesetzt werden, ist der Aufbau so, dass ein unpersonalisierter Service erbracht, ohne die Vorteile einer direkten Verbindung zum genutzt werden.
Es gibt jedoch eine neue PSP-Generation, die den Weg weist, indem sie eine integrierte Umgebung schafft, in der menschliche Kontakte, Technologie und Daten in einem Zusammenspiel koexistieren.
Diese neue Generation von PSP kann eine wesentlich strategischere Rolle in einem sich entwickelnden Pharmaumfeld und in neuen Geschäftsmodellen übernehmen. Die PSP der Zukunft:
- nutzen Technologie für eine skalierbare und personalisierte menschliche Interaktion
- erfassen reale Daten zu Gesundheitsergebnissen und schaffen eine Evidenz- und Erkenntnismaschine, die in innovative Geschäftsvereinbarungen einfließen kann
- erfassen Erfahrungen, operative und sonstige Patientendaten, die in eine fortlaufende Optimierungsschleife einfließen
- schaffen einen Berührungspunkt mit Patienten, der das Potenzial hat, die pharmazeutische Wertschöpfungskette zu verändern, Category Leadership voranzutreiben und die Vision von Patientenzentrierung in die Praxis umzusetzen
Eine neue Generation der Patientenunterstützung
Unternehmen, die das größere Potenzial von Patientenunterstützung nicht erkennen, laufen Gefahr, auf einen Produktanbieter reduziert zu werden, der den Gesprächen über Rabatte und Preisnachlässe ausgeliefert ist, anstatt ein Partner im Gesundheitswesen zu sein, der sich mit den Interessengruppen auf gemeinsame Ziele für Patienten- und Systemresultate ausrichtet.
Wenn Sie andererseits bereits darüber nachdenken, wie Sie sich durch Patientenunterstützung einen strategischen Vorteil verschaffen können, früh genug dran, um sich einen Vorsprung gegenüber zahlreichen Wettbewerbern zu erarbeiten. Dabei haben Sie gleichzeitig die Chance, von einigen der Vorreiter in diesem Bereich zu lernen.
Was ist ein PSP als integrierte Gesundheitsdienstleistung?
Patientenunterstützung in Form von integrierten Gesundheitsdienstleistungen bestehet aus einem Kernbereich, in dem menschliche Interaktion und digitale, vernetzte Versorgungselemente koexistieren. Dieser Versorgungskern wird von zwei Datenschleifen versorgt.
Bei der ersten liegt der Schwerpunkt auf operativen und Erfahrungsdaten. Durch die Erfassung einer Kombination aus operativen Daten (z. B. Zeit am Telefon mit der Pflegekraft) und Erfahrungsfeedbackdaten (z. B. war es einfach für Sie? Haben Sie bekommen, was Sie brauchen?) auf Ebene des Kontaktpunkts können Sie drei Dinge erreichen:
- Sie können beginnen, Ihre Patienten und deren Präferenzen kennenzulernen und die Bevölkerung entsprechend zu segmentieren. Dies ist der Eckpfeiler einer skalierbaren Patientenbetreuung.
- Sie können Ihre operative Effizienz kontinuierlich verbessern, wenn Sie wissen, welche Leistung Sie erzielen und was für Ihre Patienten tatsächlich von Nutzen ist.
- Sie können Ihre Ressourcen entsprechend zuweisen – sowohl strategisch mit der Weiterentwicklung des Service als auch operativ durch die Versorgung von Patienten mit dem größten Bedarf.
Bei der zweiten Datenschleife liegt der Schwerpunkt auf Gesundheits- und Systemergebnissen, um Evidenz zu schaffen. Durch die digitale Schnittstelle zu den Patienten entsteht ein Berührungspunkt, der es Ihnen ermöglicht, Daten zu Gesundheitsergebnissen nahtloser zu erfassen als dies mit beispielsweise herkömmlichen Fragebögen im Krankenhaus möglich ist.
Stellen Sie sich zum Beispiel ein tägliches Prompt (Eingabeaufforderung) vor, mit dem die Patienten gefragt werden, wie es ihnen geht, und das anhand der Antwort verschiedene Maßnahmen vorschlagen kann. Die Vorschläge bieten einen Mehrwert für die Patienten und helfen ihnen beim Umgang mit ihrer Erkrankung. Die Prompt-Fragen erfassen wertvolle Daten zur Lebensqualität (kurz QoL für Quality of Life).
Diese direkt vom Patienten stammenden Daten können dann mit anderen Datenquellen kombiniert werden, z. B. Wetter, Standort, körperliche Aktivität oder Pollenflug, die alle automatisch über das Smartphone erfasst werden.
Die Kombination von Datensätzen liefert wertvolle Echtzeit-Erkenntnisse zum Befinden der Patienten und kann so Maßnahmen unterstützen. Bei COPD (Abkürzung für „Chronic Obstructive Pulmonary Disease“), einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung, können diese Daten beispielsweise zusammen mit prädiktiver Analytik beispielsweise akute Verschlechterungen vorhersagen und Abmilderungsmaßnahmen oder Warnmeldungen auslösen. Daneben liefern die Daten auch eine potenzielle Grundlage für eine ergebnisorientierte Vergütung und andere innovative Geschäftsmodelle.
Durch den Aufbau dieser kontinuierlichen Datenerfassungs- und Verbesserungsschleifen rund um ein digitales Dienstleistungsangebot wird das PSP zum Kernstück eines neuartigen Angebots.
Der Weg zum Patientenunterstützungsprogramm
Die Ziele und Erfolgskennzahlen (KPI) sollten für Patienten und Stakeholder relevant sein (Adhärenz ist wirklich ein Mittel zum Zweck). Neben gemeinsamer Entwicklung und iterativer Entwicklung ist die Festlegung der richtigen Ziele und KPI für den Erfolg eines Patientenunterstützungsprogramms entscheidend. Es gibt mehrere Gründe dafür, dass dies so wichtig ist, aber wenn es um innovativere Programme geht, die sich beispielsweise auf Datenerfassung und Verhaltensänderung stützen, kann die Art und Weise, wie die KPI und Ziele festgelegt werden, Ihre Handlungsmöglichkeiten erweitern oder einschränken.
Zwei Beispiele:
- Der Net Promotor Score (NPS) ist zwar eine häufig verwendete Erfahrungskennzahl, hat aber aus Compliance-Sicht in der Patientenunterstützung Grenzen*
- Adhärenz ist zwar eine wichtige operative und geschäftliche Leistungskennzahl, kann aber die Art der Daten, die Sie erfassen und analysieren können, einschränken
Daher ist es wichtig, dass die für Patienten und Kostenträger relevanten Ergebnisse im Mittelpunkt stehen.
Ein sicherer Weg zum Scheitern eines PSP ist eine isolierte Entwicklung – gemeinsame Entwicklung ist der Schlüssel.
Der Leitsatz „Überschätze nicht, was kurzfristig machbar ist, und unterschätze nicht, was langfristig erreichbar ist“ trifft auf diese Art Vorhaben sehr gut zu.
Ein gut konzipiertes PSP kann tiefgreifende Auswirkungen haben, aber bis zur Umsetzung und Erreichung aller Ziele wird es einige Zeit dauern. Die Konzeption und der Start eines Programms dieser Größenordnung erfordern unbedingt einen iterativen Ansatz.
Gemeinsame Entwicklung ist entscheidend, um die Stärken und Schwächen des von Ihnen konzipierten Dienstes aus Sicht derjenigen, die ihn nutzen, und derjenigen, die bei seiner Bereitstellung eine Schlüsselrolle spielen werden, zu verstehen.
Der Traum von einem vollständig skalierten PSP lässt sich verwirklichen, wenn man die Zeit zur Optimierung des Angebots und zur Überwindung der bei der Implementierung auftretenden Hindernisse hat.
Vergessen Sie nicht, wie wichtig die Gemeinschaft und der menschliche Touch sind – durch Technologie personalisierte menschliche Interaktion macht die Stärke eines PSP aus.
Eine Komponente der erfolgreichsten PSP ist menschliche Betreuung, und mehrere Studien zeigen die enormen Vorteile, die dies gegenüber „rein digitalen“ Ansätzen hat.
Allerdings kann menschliche Betreuung auch ein Hindernis für die Skalierung und praktische Umsetzung darstellen, da sie auch kostenintensiv ist.
Ein digitales Element in der Patientenunterstützung, das menschliche Betreuung sowie die Datenerfassung und anschließende Personalisierung des von einem bestimmten Patienten benötigen Maßes an menschlicher Betreuung ermöglicht, ist von entscheidender Bedeutung.
Studien zum äußerst erfolgreichen PSP von Abbvie Cares ergaben, dass personalisierte Dienste wie „Care Coach Call“ (Anrufe von geschulten Krankenpflegekräften bei Patienten zwecks Schulung und Aufklärung) die Fortsetzung der Behandlung um 77 % erhöht und die Adhärenz und Ausdauer der Patienten verbessert haben. (1)
Ein häufiger Stolperstein ist die Entwicklung eines hervorragenden, aber nicht skalierbaren Dienstes. Berücksichtigen Sie bei der Konzeption von Anfang an die Skalierbarkeit und stellen Sie sicher, dass Ihr PSP mit der Zeit wachsen und weiterentwickelt werden kann.
Patientenunterstützungsprogramme stoßen oft auf das Problem der Skalierbarkeit. Erfahrungsgemäß sind drei Faktoren zu berücksichtigen, um das Problem der Skalierbarkeit zu vermeiden:
- Frühzeitige Einbeziehung der Märkte und gemeinsame Entwicklung von Lösungen
- Setzen Sie Technologie zur Ermöglichung von menschlichen Interaktionen und zur Personalisierung der Unterstützung ein (mehr dazu auf der nächsten Seite)
- Planen Sie Skalierbarkeit, indem Sie ein stabiles Grundgerüst, eine Plattform, auf der Funktionen je nach Markt- und Compliance-Umfeld ein- und ausgeschaltet werden können, aufbauen.
Es ist nicht alles Gold, was glänzt, und nicht alles Neue ist Innovation – wahre Innovation entsteht häufig, wenn bestehende Technologien und Lösungen auf neue Weise kombiniert werden.
Eine weitere Fehlerquelle, in die Pharmaunternehmen häufig tappen, ist die Annahme, dass sich Innovation auf Dienstleistungselemente oder technische Funktionen beschränkt.
Dabei beruhen die bahnbrechendsten Innovationen oft auf bestehenden Komponenten, die sie auf neue Weise kombinieren.
Für fast jede Herausforderung gibt es technische Möglichkeiten, die sich auf dem Markt beziehen lassen. Die Pharmaindustrie muss nicht zu einem Technologie-Start-up werden.
Darüber hinaus müssen innovative Lösungen und Technologien häufig mit geschäftlichen Innovationen einhergehen.
Abschließende Gedanken
PSP können so viel mehr als nur Unterstützung. Sie können der strategische Kern neuer Geschäftsmodelle sein, die die Rolle der Pharmaindustrie in der Gesundheitsversorgung und im Leben der Patienten völlig neu überdenken.
Wir beobachten, dass sich Unternehmen auf drei Arten von den herkömmlichen Modellen der Arzneimittelvermarktung abwenden:
Manche versuchen, das herkömmliche Modell durch digitale Interaktionen und ein besseres Verständnis der Kundenerfahrung zu verbessern. Dabei würden sich PSP wahrscheinlich nicht großartig von den heutigen unterscheiden. Höchstwahrscheinlich werden digitale Medien eingesetzt, sie beschränken sich aber höchstwahrscheinlich beispielsweise auf eine Website.
Eine andere Gruppe von Unternehmen entwickelt ihr Angebot weiter, ohne es komplett neu aufzustellen. Sie binden immer häufiger Dienstleistungen und Lösungen als Teil ihres „ganzheitlichen Arzneimittelangebots“ ein. Anstelle des viel diskutierten Mottos „über die Pille hinaus“ lautet die Devise jetzt wahrscheinlich „rund um die Pille“. Die PSP werden zwar durch Technologie in gewisser Weise optimiert, aber ihr volles Potenzial wird durch ihre Position als „Mehrwert“ und nicht als strategische Plattform beschränkt.
Eine letzte Gruppe von Unternehmen hat begonnen, umzudenken. Sie überdenken ihr Geschäftsmodell und ihre Rolle im Gesundheitswesen und stellen neue Überlegungen zu Ergebnissen, integrierter Versorgung und Kombinationen von Technologie, Arzneimitteln und Diensten an. Hier bieten sich PSP als Ankerpunkt für neue Geschäftsmodelle an.
Es gibt keine „richtige Antwort“ und wir von Wavestone unterstützten Unternehmen mit allen drei Modellen.
Letztendlich können PSP vielmehr leisten als nur die Adhärenz zu unterstützen. Tatsächlich mehren sich die Belege dafür, dass dies zutrifft. Die PSP der neuen Generation, die wir gerade erleben, sorgen für bessere Gesundheitsergebnisse und mehr Arbeitsproduktivität und senken die Gesundheitskosten insgesamt, während sie gleichzeitig ihre Produkte durch Differenzierung und einen Wettbewerbsvorteil fördern.(2)
(1) Van den Bosch F, et al. Rheumatol Ther (2017) 4:85–96; Marshall JK et al., Clin Ther. 2018 Jun;40(6):1024-1032
(2) Rubin DT, et al. J Manag Care Spec Pharm. 2017;23(8):859–867; Ostor A, et al. EULAR 2018 AB1232
Verfasst von
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Magnus Franzén-Rossi
Partner – Vereinigtes Königreich, London
Wavestone
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