BNP Paribas überdenkt seine Geschäftsbereiche und setzt auf Plattformmodelle
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BNP Paribas ist die größte Bank in der Europäischen Union und ein wichtiger internationaler Akteur im Finanzdienstleistungsbereich. Die Gruppe ist in 65 Ländern vertreten und beschäftigt fast 190.000 Mitarbeiter.
Die BNP Paribas Gruppe ist seit Langem an digitalen Plattformen interessiert. Angesichts der neuen Nutzungsmöglichkeiten und des Potenzials der neuen Technologien positioniert sich die Gruppe innerhalb ihrer verschiedenen Ökosysteme nun neu, um von diesen neuen Geschäftsmodellen zu profitieren. Beispiele hierfür sind Initiativen rund um das Bank-as-a-Platform-Modell im Versicherungs- und Konsumentenkreditgeschäft (Embedded Finance) sowie die Beyond Banking-Strategie.
Andreas Lambropoulos spricht im Interview mit Wavestone über die Details der Plattform-Initiative, die von der IFS-Sparte 2020 ins Leben gerufen wurde. Andreas Lambropoulos, ehemaliger Leiter der strategischen Initiativen der IFS-Sparte. Heute ist er verantwortlich für den Bereich Corporate Engagement der Sparte Investment and Protection Services von BNP Paribas.
Warum haben Sie eine großangelegte Plattforminitiative gestartet?
Andreas Lambropoulos: Im Jahr 2020 bis 2021 war ich im Bereich IFS tätig, der damals das internationale Privatkundengeschäft von Versicherungen über Konsumentenkredite bis zu Vermögensverwaltung, Private Banking und Immobilien in über 60 Ländern umfasste. Die strategischen Initiativen des IFS zielen darauf ab, all diese Aktivitäten miteinander zu verknüpfen, um das Wachstum durch den Fokus auf einige Kernthemen „anzukurbeln“: Innovation, Digitalisierung, Daten, Marketing, nachhaltige Entwicklung oder auch Open Innovation. Die Plattformökonomie, die auf Wertschöpfung durch Daten, durchgängigen digitalen Journeys und der Vernetzung von Akteuren beruht, ist ein komplexes Thema, das jedoch für die Zukunft unserer Aktivitäten von grundlegender Bedeutung ist. Die Fokussierung auf diesen Bereich passte also perfekt in unseren Aufgabenbereich und bot den verschiedenen Einheiten der IFS eine großartige Gelegenheit, mit Unterstützung anderer Unternehmensfunktionen zusammenzuarbeiten.
Wir sind sehr stolz darauf, dass es uns gelungen ist, die Bedeutung der Plattformökonomie hervorzuheben und dafür zu sorgen, dass diese zentralen Fragen in den strategischen Diskussionen des Unternehmens eine Rolle spielen. Es ist uns gelungen, Überzeugungsarbeit auf höchster Ebene zu leisten und zu zeigen, wie wichtig dieses Modell für die Wertschöpfung ist.
Was waren die Herausforderungen bei dieser Initiative?
Andreas Lambropoulos: Das Projekt hat Auswirkungen auf das Kerngeschäft und eine starke IT-Dimension. Wir mussten also eine Organisation schaffen, die die verschiedenen Kompetenzen und Expertinnen und Experten in diesem Bereich zusammenbringt. Angesichts der großen Zahl der Beteiligten war es notwendig, ein gemeinsames Ziel zu definieren: das Plattformmodell und seine Relevanz für unsere Geschäftsbereiche zu untersuchen und zu konkreten Business Cases zu gelangen. Daher haben wir uns für eine Zusammenarbeit mit Wavestone entschieden. Wavestone verfügt über das nötige Fachwissen, um die Notwendigkeit einer klaren Geschäftsvision zu verstehen, beherrscht aber auch die IT-Aspekte und war in der Lage, Teams mit sehr unterschiedlichen Hintergründen zu integrieren.
Was haben Sie sich von dieser zukunftsweisenden Initiative versprochen?
Andreas Lambropoulos: Da das Geschäftsmodell unserer Aktivitäten zum Teil auf Partnerschaften mit Unternehmen aus dem Einzelhandel, der Automobilindustrie, dem Bankensektor und neuen Technologieplattformen beruhte, waren wir bereits davon überzeugt, dass das Plattformmodell eine Schlüsselrolle spielen würde. Im Vergleich zu traditionellen Ansätzen ist das Plattformmodell offener und breiter aufgestellt, sodass es einfacher ist, die Möglichkeiten zu skalieren und aus technologischen Fortschritten Wert zu schaffen.
Dazu mussten wir unter anderem herausfinden, wie wir uns diese Modelle technologisch und kulturell nutzen können. Fördern sie wirklich das Wachstum? Kann das funktionieren? Welches ist das richtige Timing? Können wir die richtigen Antworten aus technologischer Sicht geben und die Erwartungen der Kunden erfüllen? Wavestone hat uns dabei geholfen, diese Fragen zu beantworten. Wir wollten nicht nur Business Cases definieren, sondern auch die Enabler schaffen, um diese Veränderungen umzusetzen, und den Grundstein für den technologischen Wandel zu legen.
Wie lief die Umsetzung ab?
Andreas Lambropoulos: Es wurden rund 30 Workshops mit Führungskräften der IFS-Einheiten durchgeführt. Zu Beginn waren die Workshops sehr spezifisch auf bestimmte Aktivitäten ausgerichtet, mit dem Ziel, Wissen zu vermitteln und ein genaues Verständnis der Plattformökonomie zu erlangen. Später wurden die Workshops bereichsübergreifender, um die für die Gruppe erforderlichen Kompetenzen oder Enabler anzusprechen. Wir haben auch eine Phase der Bestandsaufnahme durchgeführt, um die Aktivitäten anderer Finanzakteure zu beobachten und das Potenzial dieser Modelle zur Schaffung von Mehrwert zu bewerten. Insbesondere war eine wichtige Frage, ob es sich dabei um einen echten Wachstumsmotor handelte. Die Zahlen deuteten darauf hin, aber wir erkannten dies erst einige Monate später, als die Digitalisierung infolge der Covid-Krise mehr denn je in den Mittelpunkt der Geschäftsmodelle rückte. Heute sind wir davon überzeugt, dass dieses Plattformmodell für den Aufbau einer Beziehung zu einem Vertriebspartner und für die Erweiterung des Kundenzugangs unerlässlich ist und daher eine zentrale Rolle im Bereich der Finanzdienstleistungen spielt. Die Pandemie stellte eine zusätzliche Herausforderung dar, da das Projekt nur wenige Tage vor dem Lockdown gestartet wurde. Die Teilnehmer mussten sowohl inhaltlich als auch technisch betreut werden, um aus der Ferne Beiträge zu für sie ungewohnten Themen leisten zu können.
Was sind die ersten Ergebnisse der Initiative?
Andreas Lambropoulos: Im Rahmen des Projekts wurden fünf Business Cases entwickelt, von denen drei ausgewählt wurden. Nach Abschluss des gemeinsamen Projekts mit Wavestone konnten wir eine größere Akzeptanz dieser neuen Geschäftsmodelle in den Geschäftsbereichen beobachten.
So haben beispielsweise BNP Paribas Cardif und BNP Paribas Asset Management MonDemain eingeführt. Dabei handelt es sich um einen innovativen Service für die Altersvorsorge, der darauf abzielt, eine Plattform zu schaffen, die alle Lebensphasen der Kunden abdeckt. Darüber hinaus gehen wir Partnerschaften mit Technologieplattformen ein, um Lösungsanbieter für diese Akteure zu werden. Die Ergebnisse dieser Workshops und Business Cases wurden im Rahmen eines IFS Comex präsentiert, woraufhin beschlossen wurde, dass die Geschäftsbereiche diese Überlegungen in die Entwicklung ihrer strategischen Pläne einfließen lassen sollten. Diese Überlegungen haben also wesentlich dazu beigetragen, ihnen Anregungen zu liefern. Im Übrigen hat BNP Paribas vor Kurzem ihren strategischen Plan GTS 2025 vorgestellt, dessen Schwerpunkte zum Teil auf Plattformmodellen beruhen.
Wavestone hat im Rahmen der Pandemie eine sehr schnelle Anpassungsfähigkeit bewiesen. Die Teams des Unternehmens waren in der Lage, auf die sehr unterschiedlichen Hintergründe der Beteiligten einzugehen und sich sowohl mit den technologischen Dimensionen als auch mit den Grundsätzen unserer Tätigkeit vertraut zu machen. Die Unterstützung von Wavestone war sehr wertvoll. Die Beraterinnen und Berater haben ein offenes Ohr für die Bedürfnisse aller Beteiligten und schaffen es, das Beste aus den vielfältigen und multikulturellen Teams herauszuholen. Die Zusammenarbeit war erfolgreich und wurde von allen geschätzt. Das Feedback war durchweg positiv!
Beeinflusst die Initiative auch Ihre Arbeit in Ihrer derzeitigen Position?
Andreas Lambropoulos: Auf jeden Fall! Ich bin nun für den Bereich Corporate Engagement des Konzernbereichs Investment & Protection Services (IPS) zuständig. Diese Sparte, die im Juni 2021 gegründet wurde, bündelt die Aktivitäten der Gruppe in den Bereichen Absicherung, Sparen, Investitionen und den Immobiliendienstleistungen. Wir müssen sicherstellen, dass alle unsere Geschäftsbereiche die Herausforderungen des nachhaltigen Finanzwesens schneller und engagierter angehen, wenn wir in diesem Bereich eine Vorreiterrolle einnehmen wollen. Dazu positionieren wir uns in zahlreichen Themenbereichen: nachhaltige Anlagen (ESG), die Zugänglichkeit von Versicherungen, die Energiewende und die Berücksichtigung der biologischen Vielfalt im Immobiliensektor, Impact Investing, Net Zero, Kreislaufwirtschaft, finanzielle Inklusion, Mobilität, die Stadt von morgen. Aber auch in Bezug auf ESG-Daten, indem wir sicherstellen, dass sich alle Geschäftsbereiche und Funktionen der Gruppe diese zu eigen machen. Plattformen können den Übergang unserer Kunden zu einer nachhaltigen Wirtschaft beschleunigen, ein breiteres Publikum erreichen und Technologie zu einem zentralen Werttreiber für eine nachhaltige und verantwortungsvolle Entwicklung machen.